Bewertung:  / 29
SchwachSuper 

Anleger neigen dazu, ihre Urteile über den Erfolg einer Geldanlage an bestimmten Terminen festzumachen. Wenn ein Jahr vorüber ist, dann ist schnell vergessen, was man im Laufe des Jahres alles ertragen musste, wenn nur das Endergebnis stimmt. Und da ein Jahresende bekanntlich nur einmal im Jahr vorkommt, werden in unserer zunehmend schnelllebigen Zeit gerne auch Halbjahres- oder gar Quartalsergebnisse zur Beurteilung herangezogen.

Hat ein Fonds im Laufe eines Jahres - gemessen an den Vorstellungen des Anlegers - unerträglich hohe Verluste erlitten, so kann es allerdings sein, dass aufgrund des Verkaufs dieses offensichtlichen Taugenichts gar nicht mehr realisiert wird, wie gut sich der Fonds dann im weiteren Verlauf von seinen Verlusten wieder erholt hat. Da ist es schon besser, wenn erst ein ordentlicher Wertzuwachs entsteht, denn lieber gibt man von diesem wieder etwas her als vom tatsächlich eingesetzten Kapital. Die wirklich hohe Kunst der erfolglosen Geldanlage in Investmentfonds ist jedoch anhand der jüngsten Ereignisse mal wieder gut zu beschreiben. Man nehme ein ordentliches Bündel schlechter Erfahrungen aus der Vergangenheit und füge sich - gut beraten von jemandem, der die ewig volatilen Anlegerleiden versteht - in die Einsicht, dass man mit einem breitgestreuten und an die eigene maximale Leidensfähigkeit angepassten Mix vermögensverwaltender Fonds gut beraten ist. Dann warte man ab, bis die Börsen mal wieder richtig gut laufen - so jüngst erlebt, als der DAX innerhalb von vier Wochen um sagenhafte 15% zulegte und dabei seine bisherigen Höchstkurse aus den Jahren 2000 und 2007 mühelos hinter sich lief. Alles jubelte und 9.000 oder gar 10.000 Punkte schienen nun keine Utopie mehr. Nun ist es an der Zeit, die richtigen Schlüsse aus der Entwicklung zu ziehen.

Beflügelt von solcher Erkenntnis gab es im Mai spürbar viel Kritik an langweiligen Ertragskurven des eigenen Depots, die doch weit hinter dem, was jüngst möglich war, zurückblieben. So oft wie schon lange nicht mehr wurden wir gefordert, Depots doch bitte auf "Raketen-Modus" umzutrimmen und nur die Fähigkeit, das damit unvermeidbar steigende Risiko zu visualisieren, bewahrte viele Anleger davor, mal wieder treffsicher auszuloten, wie wenig erbaulich es doch ist, erst vergleichsweise wenig zu verdienen, um dann ganz schnell deutlich mehr zu verlieren. Doch natürlich waren manche Anleger nicht zu halten. Die Krönung ihrer Fähigkeit, der allgemeinen Stimmung die Signale für ihr eigenes Tun abzugewinnen, wäre dann, nach 10% DAX-Verlust und einem ganz erstaunlich schnell vollzogenen Stimmungswandel, der keinen Raum mehr für positive Erwartungen ließ, zu verkaufen und nun definitiv die einzig sinnvolle Konsequenz zu ziehen: Ab nun nur noch Festgeld! Damit entfällt das Risiko, in extremen Situationen mal einen Einbruch von 10% zu erleben, auch wenn dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit über kurz oder lang wieder aufgeholt werden dürfte und glücklicherweise spürt man nichts von der Gewissheit, dass man beim aktuellen Zinsniveau bereits nach sechs oder sieben Jahren ganz sichere 10% Verlust erleidet, weil man sein Geld ungeschützt der Inflation ausliefert und zudem von den mickrigen Zinsen auch noch die Abgeltungssteuer abgezwackt bekommt.

So wird es wohl für viele Anleger dabei bleiben, dass sie auch bei einer auf ihre maximale Verlustakzeptanz und ihren Anlagehorizont abgestimmten Depotstrategie nahezu immer unzufrieden sind, denn wenn die Entwicklung - wie aktuell - mal wieder unterhalb des Erwartungshorizontes verläuft, dann hat man ja wohl allen Grund, unzufrieden zu sein. Verläuft die Entwicklung aber phasenweise positiver, dann sind viele Anleger ebenfalls unzufrieden, weil es um sie herum für alle anderen Anleger doch noch viel besser läuft - so geschehen bis zum 22.05.2013, als Ben Bernanke mit ungeschickter Wortwahl das vermeintliche Ende der lockeren Geldpolitik der amerikanischen Notenbank anmoderierte.

Bleibt die Frage, ob man nach einem Jahr wie 2012 mit einem ersten Halbjahr wie dem gerade abgelaufenen zufrieden sein kann, wenn nur ein Wertzuwachs in der Nähe des Festgeldzinses oder - je nach strategischer Ausrichtung des eigenen Depots - gar ein kleiner Verlust zu Buche steht. Hätte hingegen Mr. Bernanke mit seinen Äußerungen nur sechs Wochen gewartet (oder wäre das Halbjahr am 22.05.2013 zu Ende gewesen), so wäre man mit dem Ergebnis des ersten Halbjahres hochgradig zufrieden.

Vorteilhaft wäre es, die Entwicklungen mit etwas mehr Distanz zu betrachten. Denn Fakt ist einerseits zwar, dass selbst ein "Carmignac Patrimoine", dem Anleger ja nicht umsonst mehr als 25 Milliarden Euro anvertraut haben, im ersten Halbjahr per Saldo einen Verlust in Kauf nehmen musste. Dies ändert aber nichts daran, dass Anleger über nun bald 24 Jahre mit einem solchen Investment deutlich besser gefahren sind als mit Aktienfonds, deren Entwicklungen sie noch vor wenigen Wochen mal wieder nachtrauerten, denn bei näherer Betrachtung stellt sich schnell heraus, dass viele Aktienfonds nun bereits im 13. Jahr nur damit beschäftigt sind, vorangegangene Verluste wieder aufzuholen. Deshalb ist nicht die temporäre Vorteilsphase entscheidend, so wie es Sebastian Vettel letztlich keinen Vorteil brachte, am letzten Wochenende die übrigen Fahrer lange hinter sich zu lassen, um dann wegen Getriebeschaden auszufallen.

Nehmen Sie also die jüngste Entwicklung zum Anlass, mit Ihren Kunden zu erörtern, was am Feintuning des Depots noch verbessert werden könnte, um das Depot weder heiß- noch leerlaufen zu lassen. Klären Sie, ob die Verlustaversion über ein festgelegtes Maß hinaus das gesamte Depot oder jeden einzelnen Fonds betreffen soll. Machen Sie aber auch klar, dass es auch bei sorgfältiger Würdigung aller zur Verfügung stehenden Fakten stets wieder zu neuen Erkenntnissen kommen kann. So gibt es viele Fonds, die jüngst von ihren historischen Maximalverlusten weit entfernt blieben, während andere in den letzten Wochen einen neuen Verlustrekord aufstellten. Die Fakten dazu werden wir unseren Kooperationspartnern - bezogen auf unsere Baukasten-Empfehlungen - in den nächsten Tagen liefern. Ansonsten freuen wir uns, dass unsere Rubrik "Review: ..." viel positive Resonanz brachte. Wir werden weiter daran arbeiten, nicht nur interessante neue Fonds vorzustellen und irgendwann zu begründen, warum man sich von bestimmten Fonds wieder trennen sollte, sondern auch von Zeit zu Zeit die Argumentation zu überprüfen, warum ein Fonds nach wie vor einen Platz auf unserer Empfehlungliste belegt.